DAS FACHGESPRÄCH

Video, 21 min, 2011 (view 4 min excerpt)

In "Das Fachgespräch" fachsimplen zwei DJs über diesen Beruf. Die Fachfragen kreisen um die technischen und ästhetischen Bedingungen und Kriterien des DJings. Es geht zum Beispiel um den Unterschied zwischen dem Auflegen von Vinyl im Gegensatz zur Arbeit mit dem Computer. Inwiefern beeinflusst die Technik die Ästhetik? Die elektronischen Musikstile werden miteinander verglichen: Haben die auf dem Viervierteltakt basierenden, repetitiven Clubmusiken Techno und Elektro etwas mit dem Prinzip der filmischen Montage zu tun, während die melodiösen Bassmusiken wie Drum’n’Bass und Dubstep eher durch dramaturgische Charakteristika gekennzeichnet sind?

Weibliche Fachsimpelei, wenn sie nicht gerade die Thematik des allgemein Gesellschaftlichen und Sozialen berührt, ist medial kaum präsent. Einerseits bildet Das Fachgespräch eine Bühne für ein interessantes Expertinnengespräch zweier DJs mit über 15-jähriger Berufserfahrung – Acid Maria und Christine Lang, auf der zweiten Ebene macht es die durch subversive Ausschließungsmechanismen bestimmten medialen Repräsentationsformen des Weiblichen offenbar und sichtbar.

Das Fachgespräch hat Premiere in der Ausstellung:
"HERE’S A LITTLE STORY THAT MUST BE TOLD..."
12. Feb – 12. März 2011, Galerie Funke


Das Fachgespräch - mit DJ Acid Maria und DJ Christine Lang



DJ Christine Lang: Dann ja, vielleicht fangen wir mal historisch an, weil ich glaube, dass wir ungefähr um die gleiche Zeit angefangen haben, aufzulegen. Ich glaube, dass du ein bisschen länger dabei bist, aber vielleicht kannst du mal zuerst erzählen, seit wann du DJ bist?

 

DJ Acid Maria: Ich habe angefangen aufzulegen 1992, weiß sogar das genaue Datum noch: 6.12.1992, weil es eine Nikolausparty war. Das war dann die Initialzündung; ich habe ehrlich gesagt seitdem nie wieder so ein Erlebnis gehabt, bei irgendetwas was ich getan oder angefangen habe, wo ich so im dem Moment bin, wo ich das Gefühl habe, das ist jetzt total richtig, ich muss das weitermachen. Das war wirklich so: genau das ist es!

 

DJ Christine Lang: Ich habe ungefähr zeitgleich angefangen aufzulegen: 1993. Das war in Bremen und mein erster DJ-Job war im Großclub, im Modernes, wo jeden Samstag 2000 Leute kamen und - jede westdeutsche Stadt hat ja so einen Club, wo der kleinste gemeinsame Nenner aller Jugendkulturen getroffen wurde... Also es gab dann vom Musikprogramm: immer 20 Minuten HipHop, 20 Minuten Techno, 20 Minuten Indie und 20 Minuten Oldies.

 

DJ Acid Maria: Und wie kam das? Was hast du vorher gemacht? Wie bist du zu dem Job geraten?

 

DJ Christine Lang: Das fing halt damit an, dass da so eine Stelle frei war, und ich mich dann da beworben habe, richtig mit Bewerbungsgespräch. Angefangen habe im also Großclub vor 2000 Leuten. Das war aber eine ganz gute Schule, aber gleichzeitig ging es darum: man muss diese 2000 Leute da am Tanzen halten, und ich habe das Gefühl, dass das bis heute sogar bei undergroundigen Sachen hilft, dass ich die Leute immer zum Tanzen kriege - ich habe das Gefühl, es liegt an dieser Schule.

 

DJ Acid Maria: Das sind auch zwei interessante Aspekte finde ich: So jetzt für Clubmusik ganz allgemein - also sagen wir mal die „Politik des Tanzens“ - dass irgendwie so da drüber steht, es darf nicht abflachen, dieses physische Bedürfnis sich auf der Tanzfläche zu dieser lauten Musik bewegen zu wollen. Also das spürt man ja, wenn man so einen Moment generiert hat, dass jetzt, "Och, jetzt lass uns mal ein Getränk holen gehen", also das ist ja dann blöd.

Als Clubgänger und Rezipient weiß man das gar nicht so, dass es, dass eine Unterbrechung in der Musik, außer es ist jetzt in dem musikalichen Konzept als Break angedacht, aber ist es ja eine rythmische Lücke, aber ich meine jetzt so etwas: es wird hier unterbrochen und es ist jetzt mal, passiert gerade mal nicht, wie so ein Testbild früher im Fernsehen, dass das eine wirkliche Katastrophe ist.

 

DJ Christine Lang: Ich habe ganz oft Albträume gehabt, die haben erst vor ein paar Jahren aufgehört, und der Traum war, dass da 2000 Leute stehen und die nächste Platte fehlt.

 

DJ Acid Maria: Das ist wirklich die Katastrophe, die Ur-Szene, das darf nicht passieren! Die kleinere Katastrophe ist, dass irgendwas abreißt, also dass man irgendwas aufgebaut hat und das dann nicht weiterverfolgt, dass man so eine andere Lücke baut.


DJing“

 

DJ Acid Maria: Sind ja ganz viele Leute, die irgendwie zu so einem sozialen Ding eigentlich in einen Club kommen, also die wollen tanzen, die wollen was trinken, die wollen sich unterhalten und was mach ich dann eigentlich da, ja? Letztendlich steht man da ganz alleine, und ich empfinde das so wie in einer Blase sich zu befinden also, oder wie so eine Kugel. Also ich empfinde es eigentlich als eine total positive Einsamkeit, also, eine Konzentration auf so eine bestimmte Echtzeit, die gerade passiert und ich verarbeite irgendwelche Signale, die jetzt schwer verbalisierbar sind, also irgendwelche Empathie-Informationen oder so etwas von der Tanzfläche zu mir gelangt. Und was ich dann dazu assoziiere, was so als nächstes passieren könnte und welche Struktur ich dann da weitergebe. Und so was bringt mich dann auch immer auf bestimmte Gestaltungsansätze, die dann eben genau in dem Moment passieren müssen, also wie komme ich von Track A nach Track B zum Beispiel, was lege ich dann übereinander, weil im Mixing lege ich auf jeden Fall etwas übereinander, manchmal lasse ich das dann länger laufen, manchmal cutte ich da, manchmal mixe ich ziemlich viel, manchmal eben nicht, was auch ziemlich viel mit Tagesform zu tun hat, aber auch, nicht zu verachten, letztlich die technischen Begebenheiten, auf die man so trifft. Aber, so diese Blase... ich fühl mich manchmal auch extrem gestört, wenn jemand zuviel zu mir sagen will in dem Moment...

 

DJ Christine Lang: Ich glaube, dass die Interaktion bei Soundsystem-Kulturen sehr viel größer ist als bei Techno, dass deswegen bei mir, dieses „Blasengefühl“ nicht entsteht. Wobei ich das anders benennen würde: ich stehe so total in der Musik: ich und die Musik, oder die Musik und ich, dass ist sozusagen so, dass ich nichts anderes mehr denken kann, und wenn ich die Sachen, die ich selber ja dann so toll finde, dass man dann sozusagen „entschwebt“ auf der eigenen Musik, das ist ja das Tolle beim Auflegen.

 

Dramaturgie“

 

DJ Christine Lang: Es ist ja auch ganz interessant, dass wir beide unterschiedliche Musikstile auflegen, aber auch in unterschiedlichen Bereichen unterrichten. Du unterrichtest eben Filmmontage und ich unterrichte Filmdramaturgie - ich finde das kann doch kein Zufall sein?

 

DJ Acid Maria: Nein, das glaube ich auch. Ich habe da auch jetzt viel drüber nachgedacht, ich glaube das auch. Jetzt, wenn ich dir so zuhöre, was deine Überlegungen sind, wie du da vorgehst und wie du gestaltest, so einen bestimmten zeitlichen Ablauf, das ist tatsächlich schon unterschiedlich zu dem wie ich, also ich würde jetzt, meine direkte Interpretationsangebot wäre, dass ich stärker assoziativ arbeite. Also das ist so, mir passiert so was, also ich habe so einen Gedanken und das suche ich dann.

 

DJ Christine Lang: Das heißt auch, du weißt nicht unbedingt, was so in zwanzig Minuten sein wird?

 

DJ Acid Maria: Ne. Also ich überlegt mir maximal so, wenn ich da bin, ich weiß nicht. Vielleicht weiß ich die übernächste Platte noch aber auch das nicht unbedingt.

 

DJ Christine Lang: Ahja, das ist anders. Ich habe oft ein Ziel vor Augen, wo ich hin will. Dass ich mir sozusagen so Eckpunkte - so wie Plotpoints wahrscheinlich - tatsächlich überlege, und um dahin zu kommen habe ich dann mehrere Möglichkeiten und Wege, und ich führe das dann dahin. Ich habe mir immer gedacht, ob das so ein bisschen denk ich beim Auflegen ist manchmal wie so ein Ahnenbaum. Man hat in seiner Plattenkiste halt diese Patterns, also ich habe immer die Platten in Paketen, die sozusagen immer Ähnlichkeiten haben, die dann vorne in so Reihen stehen und ich weiß immer, dass es so verschiedene Kombinationsmöglichkeiten gibt. Zum Beispiel: ich habe drei Platten in der Tasche, die danach folgen könnten, das würde aber bedeuten, ich gehe entweder diesen Weg in eine Richtung, oder gehe den anderen Weg, oder gehe den zweiten Weg danach irgendwo dahin (gestisches Zeigen)... Also das ist dann eine Entscheidung, die den zukünftigen Weg schon vorherbestimmt, weil nach „dieser Platte“, wenn ich die wähle, kann dann wieder nur so eine bestimmte Auswahl kommen, aber vielleicht nicht zu jener Platte, wenn ich diesen Weg wähle würde... Diese Struktur, dass bestimmte Aspekte oder Elemente, die in einem Track enthalten sind, wieder auftauchen müssen. Das kann so was sein wie eine Melodieähnlichkeit, das kann ein Klang- eine Sound-Ähnlichkeit sein, das kann aber auch die Heavyness des Basses sein - weil ich eben sehr stark bassbetont auflege - und es kann ein bestimmter Sägesound sein, der als Echo in einem bestimmten Track wieder auftaucht. Es kann aber genau auch dieser Tempoanzug sein, den ich brauche, um dann jetzt zur Primetime in zwanzig Minuten zu kommen. Und ich brauche auch die Konzentration, und kann mich auch nicht unterhalten währendessen, weil man darüber nachdenkt - in der Interaktion - was passiert gerade in diesem Raum, was ist die Stimmung und dann zu entscheiden welche dieser Pattern ich jetzt wähle und worauf ich jetzt Wert lege. Also ob man jetzt irgendwie härter, struktureller wird, oder ob man irgendwie jetzt schon melancholisch werden kann, so ungefähr...

 

DJ Acid Maria: Sentimental zumindest.

 

DJ Christine Lang: Zum Beispiel - das darf man nicht zu früh werden. Das darf man auch erst ab vier werden...

 

DJ Acid Maria: Finde ich auch, sonst ist es Kitsch. Es ist so verrückt. Das es so echt Platten gibt, die man dabei hat, die man auch selber, zum falschen Zeitpunkt gespielt, auch wirklich blöd finden kann, also dass man sein Pulver dann so verschießt und dass es ganz eindeutig so ist manchmal...

Ich habe schon immer totales Chaos in meiner Plattenkiste. Und es ist manchmal so, dass ich mich während des Auflegens sehr über mich ärgere, dass es so Querbeet ist, weil ich irgendwas jetzt brauche und nicht finde, und dass ich auf der anderen Seite auch gedacht habe, vielleicht brauche ich diesen Kick, weil es zählt ja in diesem Moment die Uhr gegen mich, weil die Platte die läuft, wird immer kürzer, ich muss mich beeilen, dass ich diese blöde Platte finde und irgendwie kickt mich das, also das ist ja Adrenalin, ich meine das ist wirklich Stress da.

 

DJ Christine Lang: Hast du schon mal die Platte zurückgelegt, weil du nicht...?

 

DJ Acid Maria: Ja, ich habe da so auch eine Platte, die ich gerade so ganz gerne spiele, die ist kürzer als man denkt. Und das ist mir dann echt auch schon passiert, die geht da so weiter und ich denke, das ist ja cool und das geht immer so weiter - und dann guck ich drauf: Mist, ja, also was mache ich denn jetzt? Und dann musste ich noch mal zurück, also es wäre sonst wirklich blöd gelaufen.

 

DJ Christine Lang: Da muss man einmal husten und „zurück“ - das merkt keiner...

 

DJ Acid Maria: Dazu braucht man dann ein Mikrophon...

 

DJ Christine Lang: Ich hab dann ja oft einen MC dabei, der für solche Fälle super ist, weil dann kann ich sie anstoßen und sagen: „Sag mal was“, wenn der Mix nicht klappt - dann kann man nämlich einen Break machen und das kann der MC füllen, das ist total super.

 

Aber mir ist gerade noch mal eingefallen, dass diese Dramaturgie doch auch total mit dem Musikgenre zusammenhängt, dass da doch auch das Kleine und das Große sich ineinander spiegeln, dass bei Elektro und Techno. Drei Tage gefeiert hat man eigentlich nur bei Techno und Elektro. Die Musik, wo ich herkomme - ab '95 bin ich komplett zu Drum'n'Bass rübergewechselt und habe seitdem all die Musikrichtungen aufgelegt, die damit assoziiert sind: 2Step, Dubstep und heute Bassline, das ist sozusagen die Genealogie – das ist halt eine andere Dramaturgie, und die Partys gehen auch nie drei Tage, die Partys gehen immer höchstens bis sechs Uhr. Also während Techno-Partys ja dann doch durchaus bis zehn Uhr gehen, oder eben dann die After Hour... ist dies in dieser Musikkultur, die ja aus dem HipHop kommt, überhaupt nicht vorhanden. Und ich finde, das spiegelt sich auch in der Musik selbst wieder, wie die gebaut ist, also das Elektro-Tracks eben auch etwas Repetetives, auf lange Zeit hin arbeitendes sind, was sich dann vielleicht in der Feier- und Tanzkultur, und auch in der Art zu tanzen, widerspiegelt, und die ist ganz anders als, meinetwegen so ein Dubstep-Track, die ja so dramaturgisch wie ein Spielfilm gebaut ist. Die (Tracks) haben ja so ein Intro, dann kommt halt immer, früher bei Platten konnte man das auch visuell sehen, wo ganz genau dann so die Breaks sind und die sind eigentlich immer an den gleichen Stellen. Also das hat man bei Techno ja auch, diese zum Mixen, diese Flächen zum Rein- und Rauskommen, aber bei Drum n Bass machen die oft nur acht Takte und dann kommt schon eine Melodie, wo ganz klar ist, da will der Autor, der „Trackmacher“, dass man da voll schon drin ist in seinem Track, weil da keine andere Melodie dazupasst oder so. Das sind sozusagen eher in sich geschlossene Werke, die vielleicht nicht so auf Langzeit-Mixing angelegt sind. Drum’n’Bass kann man auch nicht minutenlang parallel laufen lassen, weil die Stücke so sehr den Raum fordern und komischerweise spiegelt sich das eigentlich wieder in der Art des Auflegens, die irgendwie anders ist als bei Techno und auch die Art des Tanzens und Feierns.

 

Liveness“

 

DJ Acid Maria: Gefühl für Timing und das ist alles extrem wichtig und ich befinde mich selbstverständlich genau in dem Raum, dass, was ich da dann mache, ich dann nur an diesem Abend und in diesem Raum und mit diesen Leuten, so der, man schwimmt halt in so einer Ur-Suppe. So alle so zusammen, in einem so einem Ding. Und ich mache den Soundtrack dazu, aber für die anderen, mit denen ich da bin, also es ist nicht so, mit kommt es nicht so auf die Distanziertheit drauf an, sondern es ist tatsächlich so, dass ich um diese Ur-Suppe nach Kräften zu generieren, und einen Beitrag dazu zu leisten gewissermaßen, dass die Leute das Licht und die Videos und so weiter machen, dass ich da einfach nicht sprechen kann.

 

DJ Christine Lang: Ur-Suppe ist ja echt super, der Begriff. Und es ist so, ich war mal irgendwann, als dann auch so die Entscheidung anstand, wie ernst ich das mit der DJ-Karriere auch meine, wenn man älter wird. Also ich war dann so um die dreißig, da habe ich mir überlegt, hm, will ich das mit sechzig auch noch machen, und hat es überhaupt eine Perspektive, und dass ich dann auch daran gedacht habe, es ist komisch, dass man rückblickend nicht erzählen kann, wie super eine Party war. Also ich habe gedacht, ich habe nichts davon. Ich habe die sensationellsten Partys erlebt und dachte, das ist die Nacht der Nächte. Und es gibt dann so Nächte, wo das so umschlägt und was passiert, was so einzigartig ist und es ist so eine Atmosphäre, es ist sozusagen lebensprägend, nur ein paar Jahre später ist es einfach vergessen, und ich habe nichts davon. Es verpufft einfach so und das ist total uncool zu erzählen, hey, damals habe ich total coole Partys erlebt. Das will ja keiner hören. Und dachte ich, das ist echt, das ist das Traurige am DJ sein, und es ist gleichzeitig das Tolle, dass da wirklich nur in Präsenz lebender, nur im Augenblick stattfindender Event ist, der nicht medial reproduzierbar ist auch. Man kann das irgendwie noch so viel recorden und aufnehmen. Zum Beispiel habe ich auch das mit den DJ-Sets aufnehmen. Das war immer eine Qual. Weil ich finde, die Nacht war super, leg auf, alles war super, und dann höre ich mir das an, auf Tape zusammen gedrückt, wie Zitronensaft, und nichts ist davon übrig, nichts. Und dann denke ich eher, dann ist mir das eher peinlich, was, da hast du dich vermixt, das habe ich gar nicht mitbekommen, haben doch alle gejubelt, und dann hört man das und denkt, was, man ist der schlechteste DJ der Welt. Woran aber das klar wird, dass man das nicht kondensieren kann.

 

DJ Acid Maria: Ja, das ist aber auch dieser Live-Effekt, diese Echtzeit-Kunst. Es ist auf der einen Seite irre frustrierend, dass davon nichts bleibt, auf der anderen Seite ist es auch das, was es im Gegensatz zu ganz vielen anderen Dingen, die man so betreibt heutzutage, wir befinden uns ja schon in einem Zeitalter des Aufzeichnungs-Wahnsinns, und dass es so etwas gibt, was wirklich das Gegenteil ist. Und du kannst es nur erleben, wenn du dich dahin begibst, und in diesem Moment auch dort gewesen bist. Aber einen Trost habe ich für dich, trotzdem, weil du hast die Platten, die du an dem Abend gehört hast!

 

Musik“

 

DJ Christine Lang: Genau, also mich würden mehrere Sachen interessieren, vielleicht einmal eine der frühesten Platten: gibt es so eine Platte, die dich dazu gebracht hat aufzulegen? Gibt es so etwas wie eine Schlüsselplatte, die am Anfang der DJ-Karriere steht?

 

DJ Acid Maria: Eine würde ich nicht, eine gibt es nicht. Das glaube ich nicht. Also es gibt so bestimmt Dinge, die mich wirklich sehr beschäftigt haben, und die dann auch so phasenweise, also die sich so Clouds gruppieren, oder so was. Und es gibt so eine Platte, also die habe ich auch letzten Endes mitgenommen, weil sie auch von so einem Soundsystem-Ding auch bestimmte Gestaltungselemente hat und da auch so was damit zu tun hat. Kann ich dir mal vorspielen (steht auf).

Das ist jetzt so eine Platte, die so im weitesten Sinne, so ganz genau kann ich es gar nicht datieren und den Urheber auch gar nicht nennen. Also das Label heißt auf jeden Fall Mainstreet Records, Round Two, und das ist so eine Platte, die… Also wir hatten ja auch vorhin schon, wann man so bestimmte Platten spielen kann, das wäre auf jeden Fall etwas für frühe Morgenstunden. Auch wenn man dann vielleicht auf so Veranstaltungen spielt, wo dann irgendwie die Sonne mit ins Spiel kommt. Sonnenstrahlen durch das Fenster durch, oder man ist sowieso auf einem Open Air oder so was. Also diese Platte habe ich wirklich, also, die liebe ich. Das ist so eine, für mich… Also die hat so eine bestimmte laid-back-Tendenz, also man kann die sich gut so im Sitzen anhören, man könnte aber auch gut dazu tanzen, aber jetzt nicht so mit den Armen in die Höhe. (Musik)

 

DJ Christine Lang: Ich habe eine Platte mitgebracht, die mich dazu gebracht hat, von meinen Großclub-DJ-Erfahrungen zu wechseln in den „Underground“... Ich habe dann diese Platte gehört und da wusste ich, das ist mein Platz, was ich auflegen kann. Und zwar ist das A Guy Called Gerald: Black Secret Technology von 1995. Das ist das Jahr, aus dem aus Jungle Drum’n’Bass wurde. (Musik)

 

: Ich habe dann noch eine Platte, die ich dir kurz anspielen wollte, weil das ist, glaube ich, die Platte, die ich am meisten gespielt habe in meinem ganzen Leben, die bei jedem DJ-Set irgendwie auftauchte. Und zwar war das 2002 der Anfang von Dub Step, also die hat sozusagen Dub Step mitbegründet, wo es dann vielleicht den Begriff Dub Step noch nicht gab, und sowohl die A- als auch die B-Seite habe ich - man sieht es auch der Platte an – viel gespielt. Auch eine „Anfangsplatte“, also auch keine Prime Time-Platte.

 

DJ Acid Maria: Also ich habe diese… sollen wir es noch fertig laufen lassen? Dann mach ich mal ganz fies, aber es ist wirklich ein guter Zeitpunkt. Also hier, die, die hat so ein wahnsinnig langes Intro. Die spiel ich derzeit auch gerne, das ist für mich echt so eine Peak-Time und Lieblingsplatte grade. Also ich spiel die dann gerne mindestens auf minus 6 oder so, weil sie sonst nicht passt. Aber ist von Ramadan Man und heißt „Work Them“, und ich finde an der einfach, also da habe ich Dub-Step für mich auch noch mal irgendwie entdeckt, über genau diese Platte, weil da ist so Chicago in den Dub-Step so integriert. (Musik)

 

DJ Christine Lang: Ich kann ja einfach mal mein derzeitiges Lieblingsstück, also ich bin ja im Augenblick zwischen Dub-Step und Bassline gelandet, und DJ Zinc ist ja ein alter Begleiter meiner Drum’n’Bass-Karriere, der also auch schon seit den 90er Jahren produziert und der auch alle, diese Entwicklung der Musikrichtungen, die Genese, mitgemacht hat, und auch bei Bassline gelandet ist, und Bassline ist im Augenblick, findest du bestimmt prollig... (Musik)

 

DJ Acid Maria: Ist schon cool. Also ich finde jetzt bei in Anführungsstrichen diesen Musikrichtungen, ist es halt so, also die haben jetzt, also die zitieren eine Musik-Genese. Es ist zwar ein Musikstück an sich, es zitiert aber auch etwas, was quasi als Story schon hinter uns, was wir schon so mittragen. Also bestimmte Formen zitiert es, und es hat natürlich auch eine Meta-Ebene, das Stück, finde ich. Und deswegen finde ich es auch nicht prollig, obwohl es so bestimmte Sounds und Gestaltungs-Elemente hat, die todsicher klappen, so benutzt…

 

DJ Christine Lang: Aber das ist gerade, glaube ich, bei allen Produktionen, die aus Drum’n’Bass, Bassline, Dubstep kommen, dass die eigentlich immer zitieren. Die Frage wäre, ob es nicht bei Techno eigentlich auch so ist, dass man immer diesen Back-Katalog mit sich rumschleppt; die ganzen Sounds, die markieren dann die Zugehörigkeit zum Genre. Und ich frag mich aber, ob das überhaupt anders möglich ist. Ob nicht jede heutige Musik eigentlich referenziell ist.